PNP 14.01.2014
Ex-General sieht von der Leyen vor "Herkulesaufgabe"
Johann Berger spricht beim Neujahrsempfang der Reservisten vor 200 Gästen – "Die Menschen in der Bundeswehr bei der Reform mitnehmen" von Viktor Gröll
Beim Neujahrempfang (von links): der stv. Landesvorsitzende Werner Gebahrt, 2. Bürger-meister Josef Müller, Passaus stellv. Landrat Klaus Jeggle, MdL Reserl Sem, Brigadegeneral a.D. Johann Berger, Bezirksrat Dr. Thomas Pröckl, der Kommandeur des Regionalstabs OTL Thomas May und Kreisvorsitzender Alban Friedlmeier. − Fotos: Gröll
Bad Birnbach. Der Neujahrsempfang der Rottaler Reservisten im ländlichen Bad Birnbach hat mittlerweile Tradition. Mit Brigadegeneral a.D. Johann Berger wurde die lange Liste namhafter Redner um ein Kapitel erweitert. Berger ging in seinem Vortrag auf die aktuelle Situation der Bundeswehr ein, sprach von Veränderungen, die erhebliche Auswirkungen hätten, und sieht die neue Verteidigungsministerium vor einer lösbaren, aber sehr schwierigen Aufgabe.
43 Dienstjahre hat Berger absolviert, war von 2007 bis Januar 2013 stv. Befehlshaber im Wehr-bereichskommando IV und dann Chef des Landeskommandos Bayern, ehe er im vergangenen November in den Ruhestand eintrat. Ein Mann also, der die Zeit der Veränderung in der Bundeswehr hautnah miterlebt hat. Groß war daher das Interesse am Neujahrsempfang der Reservisten, zu dem über 200 Besucher kamen.
Syrienkonflikt: Folgen nicht unterschätzen.
"Unser Raumschiff Erde ist ein geschlossenes System", sagte Berger. Alle seien von Ereignissen irgendwo auf der Welt betroffen. Probleme könnten folglich nur gemeinsam und solidarisch gelöst werden. Vieles aber sei ungelöst – von der arabischen Revolution, einer "Lunte, die jederzeit losgehen kann", über den Irak oder den Libanon. Berger zählte eine Reihe von Brandherden auf, mit besonderem Augenmerk auf Syrien. "Ein Teil der Region ist unsere südeuropäische Gegenküste", sagte er und warnte davor, diese Probleme zu unterschätzen. "Flüchtlinge und Vertriebene wollen dem Chaos entkommen. Sie alle wollen nach Europa", sagte er mit Blick auf die geografische Lage.
Im Durchschnitt seien derzeit 6500 Bundeswehrsoldaten im Ausland eingesetzt, fuhr er fort. Hinzu käme, dass Soldaten auch bei Naturkatastrophen im In- wie im Ausland gefordert seien. So hätten bei der letzt-jährigen Hochwasserkatastrophe täglich bis zu 2800 Bundeswehrkräfte mit schwerem Gerät geholfen.
Dazu erlebe die Bundeswehr seit zwei Jahren eine nie dagewesene Veränderung durch das Aussetzen der Wehrpflicht, ob bei der Rekrutierung des Nachwuchses oder den organisatorischen Abläufen innerhalb der Truppe, wie Berger betonte. Einhergehend mit einer erheblichen personellen Reduzierung, der Verkleinerung des Ministeriums und geänderten Zuständigkeiten und Verfahren. "Und das alles bei laufenden Einsatz, das bleibt natürlich nicht ohne Auswirkung", sagte der General.
Ehrung: Oberstleutnant Josef Neun (Ering) erhielt das Abzeichen für den Feldjägerdienst in Gold.
Die neue Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen sieht er vor "sportlichen Aufgaben in einem komplexen Ressort". Ihr Ziel sei eine zukunftsfähige Bundeswehr, die gesellschaftlich eingebettet bleiben soll. Dabei müsse man vor allem auch der demografischen Entwicklung Rechnung tragen, sagte Berger. "Das ist eine Herkulesaufgabe, die nicht unlösbar, aber abhängig von der Loyalität aller im System Tätigen ist", fügte er hinzu. Dazu sei es aber zwingend notwendig, den voranschreitenden Vertrauensschwund und den Glaubwürdigkeitsverlust innerhalb der Truppe zu stoppen. Berger bezog sich dabei auf aktuelle Umfragen des Bundeswehrverbandes bei höheren Dienstgraden.
„Reserve wird immer wichtiger!!!“
Der Reserve misst Johann Berger eine immer bedeutsamere Rolle bei. Die durch Auslandseinsätze be-dingten Vakanzen könnten ohne sie nicht mehr gefüllt werden. Und auch der Katastrophenschutz wäre ohne Reservisten nicht sicherzustellen. "Das ist aber in der Gesellschaft nicht bekannt", bedauerte der Brigade-general. Den freiwilligen Dienst von Reservisten müsse man ähnlich betrachten wie das Ehrenamt, forderte er. Dazu brauche es "Geld, Taten und Ehrlichkeit". Denn ohne die Reservisten würden für viele Teile der Streitkräfte dunkle Wolken am Himmel aufziehen.
Kritik übte er am Tempo der Umstrukturierung bei der Bundeswehr: "Wir brauchen Gewissenhaftigkeit statt Geschwindigkeit. Man muss die Menschen in den Streitkräften mitnehmen."
Vor der Rede des Brigadegenerals brachen mehrere Grußwortredner eine Lanze für die Reservisten, so etwa Bad Birnbachs 2. Bürgermeister Josef Müller. Passaus stv. Landrat Klaus Jeggle dankte wie Bezirksrat Dr. Thomas Pröckl der Bundeswehr und den Reservisten für die Hochwasserhilfe. MdL Reserl Sem meinte, sie habe sich schwer getan mit dem Weg zu einer Freiwilligenarmee. "Es geht ein Stück ab." Weitere Grußworte sprachen OTL Hans May, der stv. Landesvorsitzende des Reservistenverbandes, Werner Gebhart, und Bezirksvorsitzender Josef Schmid.
Die Veranstaltung wurde musikalisch vom Lenghamer Gospelchor (Leitung Sandra Haslinger) um-rahmt. Durch das Programm führte stv. Kreisvorsitzender Hans Sailer. Im Rahmen der Veranstaltung erhielt OTL Josef Neun aus Ering das Abzeichen für den Feldjägerdienst in Gold.