Die Rottaler Reservisten konnten hochrangige Gäste im Artrium begrüßen: (von links)MdB Max Straubinger, Landrätin Bruni Mayer, General a. D. Dr. Klaus Dieter Naumann, stellvertretender Landesvorsitzender Dr. Eberhard Grein, Kreisvorsitzender Alban Friedlmeier, MdL Reserl Sem, Bürgermeister Erwin Brummer und der Stabsoffizier für Reservistenarbeit, Frank Schäfer.
von Viktor Gröll jun.
Bad Birnbach. Mit einem Gastspiel des ehemaligen Generalinspekteurs der Bundeswehr, Dr. Klaus Dieter Naumann, konnten die Rottaler Reservisten beim diesjährigen Neujahrsempfang im Artrium einen weiteren Meilenstein in ihren Aktivitäten setzen. Und Naumann sparte nicht mit klaren Worten.
Auch nach dem Abzug der Soldaten aus dem Rottal bleiben die Reservisten ihrem Auftrag treu. Mit mehr als 200 Besuchern, viel politischer Prominenz und einem hochkarätigen Gastredner sorgten sie einmal mehr für Aufsehen. General a. D. Dr. Klaus Dieter Naumann gilt als der am höchsten dekorierte deutsche Soldat seit dem Zweiten Weltkrieg. „Europa stehen unruhige Zeiten bevor“, machte der gebürtige Münchner sogleich deutlich. Die Situation sei unberechenbarer als in jeder Sekunde des Kalten Krieges. Vor allem den Deutschen werde noch manche Illusion genommen.
Konkurrenzkampf um Wasser, Öl und Gas
Mit Skepsis betrachtet Naumann die demographische Entwicklung. Europas Bevölkerung schrumpfe, die Menschen würden im Jahr 2050 im Schnitt 50 Jahre alt sein, heute seien es 36 Jahre. Auch Russlands Bevölkerungszahl sinke, und in Teilen des Riesenreiches China würden sich Minderheiten immer weiter ausbreiten. „Viele werden in der Heimat keine Zukunft haben. Das löst Spannungen aus.“ Dazu komme der zunehmende Konkurrenzkampf um Wasser, Öl und Gas. „Europa wird sich nicht durch nachwachsende Rohstoffe versorgen können“, so die Einschätzung des Generals a. D. Arbeitsmärkte und Sozialsysteme würden weiter unter Druck kommen, immer höhere Anforderungen kämen auf die Beschäftigten zu. Schließlich müsse man die Folgen von Klimawandel und Umweltbelastungen sehen. Auch das wird in seinen Augen zu neuen Konflikten führen.
„Europa muss sich stellen und seine Rolle in der Welt klar definieren“, lautete eine zentrale Forderung Naumanns. Dazu gehöre, den sich ausbreitenden Nationalismus zu überwinden. „Europa muss mit einer Stimme sprechen, um gehört zu werden.“
Gleichzeitig mahnte Naumann eine Aussöhnung mit den Vereinigten Staaten an. Diese blieben der wichtigste Partner, „ob wir das wollen oder nicht.“ Das Verhältnis sei längst noch nicht in Ordnung. Naumann listete die Krisenherde der Welt auf, um seine Thesen zu untermauern: Balkan und Kosovo, Europas letzte Diktatur in Weißrussland, der Kaukasus („Putin hat Tschetschenien zwar platt gemacht, aber Ruhe ist dort nicht“), die unruhigen Außengrenzen des NATO-Partners Türkei, Israel und Palästinenser, Iran und sein Aufstieg zur Regionalmacht. Die Situation im Irak schätzte der erfahrende Soldat wesentlich günstiger ein als in Afghanistan. Dort kritisierte er das Fehlen eines einheitlichen Strategieansatzes. „In einer Allianz an eine Aufteilung zu glauben, in der die einen kämpfen, die anderen stabilisieren, ist falsch.“ Auch bei der in deutscher Hand liegenden Polizeiausbildung gebe es viel zu verbessern.
Europa habe im Nahen Osten, einem Schlüsselgebiet der Zukunft, Interessen. Die Aufgaben dort dürfe man nicht alleine Amerikanern, Russen und Chinesen überlassen. Naumann sprach von einer „erbärmlichen Angst vor Kampfeinsätzen“ in Deutschland. Dem Iran warf er vor, die Welt seit 20 Jahren hinsichtlich seines Atomprogrammes zu belügen. „Das Thema ist längst nicht zu Ende“, befürchtete er. Noch sei es friedlich zu lösen, jedoch dürfe man die militärische Option nicht ausschließen. „Setzt sich der Iran durch, ist der Atomwaffensperrvertrag erledigt.“ Länder wie Ägypten, die Türkei und andere würden bald folgen. Zudem habe gerade Deutschland eine Verantwortung, das Überleben Israels zu sichern.
Den deutschen Ausstieg aus der Atomkraft kritisierte der Referent als zusätzliche Risikoerhöhung. Große Gefahren sieht Naumann auch in Afrika begründet. Er sprach von unglaublichen Krisen, von barbarischer Gewalt, die dort an vielen Stellen herrsche. „Das kann Flüchtlings- und Migrationsströme auslösen.“ Beunruhigt zeigte er sich von der chinesischen Präsenz auf dem schwarzen Kontinent.
Parallel zur Situation in Afghanistan geselle sich die zunehmende Instabilität in Pakistan, „vielleicht derzeit das gefährlichste Land.“ Pakistan verfüge über rund 60 Atomsprengkörper. Einen Lösungsansatz habe derzeit niemand. Auch Nachbar Indien stehe vor großen Problemen, hege dazu territoriale Ansprüche gegen Indonesien, „das größte moslemische Land der Welt.“
Große Gefahr durch strukturellen Terrorismus
Naumann betonte zudem: „Wir müssen auch einen Weg finden mit Russland, müssen Kooperationen und den Ausgleich suchen, auch wenn das Land noch nationalistischer wird.“ Von China gehe keine Gefahr aus, zu groß seien dessen innere Probleme. „250 Millionen Menschen bewegen sich auf die Städte dort zu.“. Große Gefahren drohten dagegen durch den Terrorismus. „Das ist nicht Baader-Meinhof“, erklärte Naumann und sprach von einem „asymmetrischen Krieg.“ Struktureller Terrorismus werde kommen, der darauf abziele, die Gesellschaft zu zerstören.
Seine Lösung: Zunächst müsse Europa den Willen entwickeln, sich zu stellen. „Wir müssen uns bewusst werden, dass wir in Gefahren leben.“ Verteidigung sei Angelegenheit aller. „Wir müssen das klare Signal geben, dass wir uns wehren. Tun wir das, werden wir gehört.“ Ein Konzept mit den Partnern müsse entwickelt werden. Für die Verteidigung forderte er ausreichende Mittel, die heute oft nicht zur Verfügung stünden. Erst müsse Verteidigungspolitik definiert werden, „dann kann man über eine Europaarmee nachdenken“, so Naumann. Trotz allem könnten Europa und Nordamerika Sicherheit erreichen. Von den USA verlangte er, Europa an den Entscheidungen zu beteiligen. „Der Schlüssel ist der Wille, sich in einer unruhigen, globalisierten Welt zu behaupten.“ Dann sei die Globalisierung sogar als Chance zu begreifen.
Bürgermeister Erwin Brummer freute sich in seinem Grußwort, dass das Artrium die Heimat für die Neujahrsempfänge geblieben ist. Landrätin Bruni Mayer betonte, die Menschen hätten ein Bedürfnis nach Frieden. Größte Anerkennung zollte sie den Reservisten. „Sie stellen sich für den Fall der Fälle zur Verfügung. MdL Reserl Sem brach erneut eine Lanze für den Wehrdienst. Europa habe seine Teilung noch nicht überwunden, erinnerte Sem mit Blick auf die immer noch geteilte Stadt Nikosia auf Zypern. „Die Reservisten geben dem Bürger in Uniform ein Gesicht“, lobte MdB Max Straubinger. Selbst Reservist, fühle er sich mit der Organisation sehr verbunden.
Ein Lob des stellvertretenden Landesvorsitzenden Dr. Eberhard Grein galt Kreisvorsitzendem Alban Friedlmeier. „Mit der Veranstaltungsreihe steht ihr in Bayern ganz weit vorne“, erklärte er.
Ehrung für Brummer und Friedlmeier
Ein positives Fazit zog Frank Schäfer, der Stabsoffizier für Reservistenarbeit in Bayern. Die Umstrukturierungen hätten funktioniert, auch wenn die Umstände extrem schwierig gewesen wären. Die Besonderheiten und Leistungen Bayerns würden im Verband allerdings viel zu wenig berücksichtigt.
Im Rahmen der Veranstaltung wurden Kreisvorsitzender Alban Friedlmeier mit der Ehrennadel in Gold und Bürgermeister Erwin Brummer mit der Ehrennadel des Landesverbandes ausgezeichnet. Die Auszeichnungen nahm der stellvertretende Landesvorsitzende Dr. Eberhard Grein vor. Die Veranstaltung wurde vom Marinechor Ried musikalisch umrahmt.
Der Ex-General nahm sich auch Zeit, Bad Birnbach ein wenig kennen zu lernen. Er war mit der Bahn angereist und wurde von Max Hackl und Rudolf Perzl am Bahnhof abgeholt. Diese zeigten ihm dann noch vor dem Neujahrsempfang den Ort.